Aufbau eines Kompetenzzentrums für Landschaftsschutz in Energielandschaften

Die Windkraft-Industrialisierung unserer Landschaften, aber auch Biomasse und andere raumprägende Formen erneuerbarer Energiegewinnung fordern den geographischen Blickwinkel. Auf dieser Seite wird der Boden vorbereitet, um Energiewende durch eine Lobby für den Landschaftsschutz tragfähiger für Kulturlandschaft, Mensch und Natur zu gestalten und um ressourcenschonendere energiewirtschaftliche Optionen zu diskutieren.


Sonntag, 16. Februar 2014

Windenergie-Industrialisierung der Wälder: Widerstreit der Werte


Windkraft im Wald: Ist dieses Konzept von "Energielandschaft" zukunftsfähig? Das Bild zeigt einen projektierten, kontrovers diskutierten "Windpark" im südlichen Odenwald, Baden-Württemberg. (Visualisierung: Fuckert)

Von Michael Hahl

Aktuell scheint ein denkwürdiger Wertewandel die Windkraftnutzung in Mittelgebirgen über den traditionell verankerten Natur- und Landschaftsschutz zu stellen - doch die ethische Gegenbewegung zu diesem lobbyistisch geprägten energiepolitischen Trend wird ebenfalls stark. Wenn neue Energiegewinnungsformen mit über Jahrzehnten gewachsenen ökologischen Idealen kollidieren, sind Fragen sozialer Implikationen sowie der Akzeptanz landschaftlicher Veränderungen und der damit verbundenen Auswirkungen auf Gesundheit und Lebensqualität unvermeidlich. Aus den gegenwärtigen Kontroversen könnte entweder eine beispiellose Industrialisierung des ländlichen Raums und mit ihm vieler naturnaher Waldgebiete entstehen, aber auch ein dynamisch aufkeimender "Naturschutz 2.0" und ein neues Zukunftsbewusstsein für den Landschaftserhalt sind derzeit (noch) denkbar.

Mit der gegenwärtigen Variation der Energiewende und insbesondere mit dem Wunschdenken einer Windkraftlobby, welche die Mittelgebirge und ihre Waldökosysteme geradezu "kolonisieren" möchte, wird ein empfindlicher Nerv getroffen: Hier entsteht eine spannungsgeladene Ambivalenz zwischen dem Hunger nach Energie und nach technisch bestimmtem Lebensstandard einerseits, scheinbar als "green deal" daherkommend, andererseits aber der menschlichen Empfindsamkeit für naturnahe Umweltbedingungen und Rückzugsräume sowie für die Störfaktoren, die den Landschafts-, Natur- und Artenschutz bedrohen. Dieser Widerstreit ist nicht zuletzt ein Thema der Mensch-Umwelt-Beziehung und fordert im Wesenskern der Problematik gerade auch den geographischen Blickwinkel heraus.

Doch es ist weit mehr als ein akademischer Elfenbeinturm, denn die Entwicklung ist rasant: Zielkonflikte, Wirtschaftsinteressen, Politikgerangel und konträre Wertevorstellungen schaffen geradezu soziale Unruhen. Althergebrachte Werte sind unsicher geworden, ein Ringen um ideologische Zugehörigkeit - irgendwo zwischen Naturschutz und so genanntem "Ökostrom" - hat begonnen. Ein Teil der Gesellschaft, gerade an den Schauplätzen der neuen "dezentralen" Energiegewinnung, also in den ländlichen Regionen, erfindet sich neu. Fronten verhärten sich, während die Positionen, auf die man sich jeweils beruft, immer sicherer werden. Aus dem Widerstreit der Werte wächst ein sozialer Konflikt um Ideale und Akzeptanz, um Ziele und Handlungsweisen, der in seiner Sprengkraft nicht zu unterschätzen ist.